Die Farrenhaltung in Wannweil

Der Wannweiler Schmied Johann Georg Reichart, geb. 1878 in Reusten.

Hier mit seiner Kuh vor dem Farrenstall. Er trägt seine Arbeitskleidung, Schildkappe und Blaukittel. Den Umgang mit Hornvieh und Gäulen ist er gewohnt. In seiner Schmiede hat er fast täglich Pferde beschlagen sowie den Ochsen und Kühen, sofern sie Zugtiere waren die Klauen beschlagen. Da die Ochsen ihre Füße nicht so bereitwillig wie Gäule dem Schmied entgegenstreckten, kamen sie in den Notstand. In dieses Stabile Holzgestell wurden sie mit Riemen eingespannt, damit der Schmied gefahrlos die Klauen bearbeiten konnte.

Die Farrenhaltung in Wannweil.

Am 7. Juli 1863 beschließt der Gemeinderat zu den bisherigen zwei, künftig noch einen weiteren Farren zu halten, da die Viehzahl gestiegen ist.
Die Farrenhaltung war an einen Bauern vergeben. Er musste seine Farren selbst anschaffen und musste drei Stück halten. Die Gemeinde bezahlte dafür zu dieser Zeit jährlich 240 Mark. Der Farrenhalter erhielt außerdem noch den Gütergenuß von 5 1/8 Morgen Wiesen. Die Veräußerung oder Neubeschaffung durfte jedoch nur mit Genehmigung des Schaugerichts erfolgen. Ebenso wurde ein Eber gehalten, für den die Gemeinde jährlich 150 Mark Wartgeld bezahlte.
Am 20. November 1913 beschließt der Gemeinderat die Aufgabe der bisherigen Privat-Farrenhaltung und die Einführung der Regie-Farrenhaltung. Dazu ist jedoch die Erstellung eines Farrenstalls notwendig, der im Jahr 1913 und 1914 mit einem Aufwand von 9.871 Mark erbaut wird.
Von 1924 bis 1940 gab es in Wannweil ungefähr 260 Kühe über 2 Jahre. Rindvieh insgesamt etwa 400 bis 480 Stück.
Der Farrenstall wurde nach Aufgabe der Regiefarrenhaltung vom Reitverein genutzt.

Nach den Farren, in manchen Gegenden nennt man sie Hägen oder Hummel, im neueren Deutsch Bulle oder Stier, stellte der Reitverein Pferde ein. Es wird in den 60er/70er Jahren gewesen sein. Der letzte Farrenwärter hieß Wittke. Das aufkommen der künstlichen Besamung und der starke Rückgang der Milchviehhaltung im Ort machte den Farrenstall als solchen überflüssig.


Kinder- und Jugenderinnerungen an den Farrenstall um 1942

Auf dem Farrenstall gab es, außer den zwei Farren, auch zwei oder drei Ziegenböck (Gaissböcke). Ein paar Schulkameraden und ich gingen manchmal abends zum Farrenstall. Ich erinnere mich leider nicht mehr wer der "Farrenwärter" war zu der Zeit; wir waren alle noch in der Volksschule bei Lehrer Bohnet.
Als Belohnung für unsere Hilfe beim Misten im Farrenstall durften wir manchmal einen der Gaissböcke auf einen kleinen Spaziergang nehmen. Und wenn dann der Farrenwärter auf richtig guter Laune war, durften wir dann sogar den Gaissbock reiten. Der "Duft" von dem Gaissbock war natürlich überwältigend. Um uns einigermassen gegen diesen "ländlichen Duft" zu schützen,
gab uns der Farrenwärter einen alten weißen Mantel, den der Bock-Reiter dann tragen musste. Am nächsten Morgen, in der Schule, wusste man aber ganz genau wer der "Bock-Reiter" am vergangenen Abend war; das unverkennbare Bock-Aroma hing in dem Klassenzimmer fast wie ein blauer Dunst. Bock-Reiten blieb aber trotzdem immer ein beliebter und herrlicher Sport in unserem kleinen Kameraden Kreis. Und wenn ich jetzt so jung wäre wie damals, Bock-Reiten wäre immer noch meine beste Wahl von Vergnügungen an einem warmen Abend in Wannweil, mit oder ohne Mantel! (Rolf M. 2009)



 Zuchturkunde für den Farren "Fello" geboren 1923
Rasse: Fleckvieh


Zulassungsschein der Gemeinde Wannweil für den Farren "Fello"
(Gemeindearchiv A98)

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